Herpesvirusinfektion der Landschildkröten (Chelonid Herpes Virus)

Herpesvirusinfektionen sind unter den in Europa häufig gehaltenen Arten von
Landschildkröten weit verbreitet und führen bei der Haltung von Landschildkröten immer
wieder zu großen Verlusten. Die Infektion wird durch ein bisher nicht klassifiziertes
Herpesvirus hervorgerufen, das nahe Verwandtschaft zur Subfamilie der Alpha-Herpesviren (Alphaherpesvirinae) zeigt.
Das Virus wird über Speichel, Nasensekret und Kot durch direkten Kontakt der Tiere
untereinander oder durch Vektoren (Pfleger, Gerätschaften, Einrichtungsgegenstände)
übertragen.
Die klinischen Erscheinungen sind sehr vielfältig und oft nicht sehr spezifisch und reichen von
verminderter Aktivität, Inappetenz, Nasenausfluss bzw. verklebten Nasenlöchern,
Atemgeräuschen und Atemnot bis hin zu Durchfall, zentralnervösen Störungen und
plötzlichen Todesfällen. In den betroffenen Schildkrötenbeständen wird eine erhöhte
Mortalität beobachtet.
Das klassische Bild der Erkrankung ist der Stomatitis-Rhinitis-Komplex, der oft mit der
Ausbildung diphtheroider Plaques in der Maulschleimhaut verbunden ist. Außerdem können Konjunktivitis, Pharyngitis, Glossitis und Pneumonie, aber auch andere
Organmanifestationen wie Enteritis, Hepatitis oder Meningoencephalitis auf das Herpesvirus zurückgeführt werden.
Die Ausprägung der Krankheitssymptome und die Sterblichkeit sind abhängig vom
immunologischen Status des Tieres, vom Alter, dem Virusstamm und von der
Schildkrötenart. So ist die Sterblichkeitsrate für erkrankte Vierzehenschildkröten
(Agrionemys horsfieldii) und griechische Landschildkröten (Testudo hermanni) sehr hoch,
wohingegen maurische Landschildkröten (Testudo graeca) und Breitrandschildkröten
(Testudo marginata) nach einer überstandenen Infektion auch als latent infizierte Überträger
in Betracht kommen.
Aus diesem Grund sollten verschiedene Schildkrötenarten nur getrennt gehalten werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Schildkötenhaltung ist die lebenslange Persistenz von Alphaherpesviren in den Nervenzellen. Tiere, die durch eine Winterruhe, suboptimale Haltungsbedingungen, Transport, Besitzerwechsel oder eine Änderung der Sozialstrukturen geschwächt und immunsupprimiert sind, sind besonders gefährdet eine klinische Erkrankung auszubilden. Da Phasen einer Virusaktivierung und der damit verbundenen
Virusausscheidung nicht vorhersehbar sind und die Erregerausscheidung auch ohne klinische Symptome erfolgen kann, ist eine ausreichend lange und konsequente Quarantäne für alle
neu hinzugekommenen Schildkröten zum Schutz des Bestandes unerlässlich.
Dabei sollte ein Jahr Quarantäne, begleitet von einer mindestens zweimaligen Virus- und Antikörperuntersuchung (Cave: die Antikörperspiegel herpesvirusinfizierter Schildkröten
können unter die Nachweisgrenze fallen), nicht unterschritten werden. Diese
Untersuchungen sollten möglichst unmittelbar nach dem Neuerwerb bei einem ersten Check
up und nach der Winterruhe vorgenommen werden.

Labordiagnostik:

Die Diagnose am lebenden Tier kann indirekt über den Nachweis von Antikörpern mittels Virusneutralisationstest (VNT) erfolgen. Beim Antikörpernachweis ist zu beachten, dass
dieser frühestens 11 Wochen nach einer möglichen Infektion geführt werden sollte.
Der direkte Virusnachweis ist nur in der Phase der Erregerausscheidung erfolgversprechend.
Die schnellstmögliche und dabei sichere Diagnose kann innerhalb von 24 Stunden über den
Nachweis spezifischer Herpesvirus-Genomfragmente aus Rachentupfern (Trockentupfer)
durch den Einsatz der Polymerase Chain Reaction (PCR) gestellt werden (FISCHER et al.
2006).

Weitergehende Literatur:
FISCHER, S., K. STRUTZBERG-MINDER, G. MÜLLER, M. HOMUTH (2006): Molekularbiologische
Diagnostik einer Herpesvirusinfektion bei einer juvenilen Vierzehenschildkröte (Agrionemys
horsfieldii)
mit Haut- und Lungenveränderungen. Berl. Münch. Tierärztl. Wochenschr. 119: 28-34.

FISCHER, S. & M. HOMUTH (2006): Herpesvirusinfektion bei Landschildkröten- Erkrankung, Diagnose und Prophylaxemöglichkeiten, Reptilia 57: 56-64